Horst Leifer ist Maler
ich nenne mich Regisseur. Es gibt nichts Gegensätzlerisches! Ein Maler kann malen wann und wo er will, mitten in der Nacht oder am Tag. Und wann ich arbeiten kann bestimmen ausgeklügelte Arbeitszeitvorschriften. Ein Regisseur benötigt eine Bühne und mindestens einen Schauspieler und den ganzen Apparat des Theaters.
Nicht ohne Neid bewundere ich deshalb Horst Leifer, er benötigt zur Kunstausübung nur sich selbst. Seine Blätter sind haltbar, werden gesammelt, ausgestellt, reproduziert - ein Theaterstück wird bestenfalls 50 mal gespielt, wie gesagt bestenfalls! Ansonsten freut man sich schon über zehn Vorstellungen. Und wenn die Aufführung dann abgespielt ist, was bleibt? Vielleicht ein gutes Plakat, ein Programmheft was keiner liest, oft schlechte Fotos oder ein verwackeltes Video, und natürlich, und das ist noch das Beste - die Erinnerung (falls die Aufführung gut war)
Also nicht ohne Eigennutz fand am Abend eines warmen Vorsommertages 1993 in Sanz Hof 3 nach dem Genuß von etwas kühlen Bieres folgender Dialog statt:
ICH: Horst, ich probe jetzt am Greifswalder Theater ein Stück, eine Uraufführung, also was ganz Besonderes .
H.L.: Eine Welturaufführung?
ICH :(belehrend) Jede Uraufführung ist eine Welturaufführung und dann noch von dem berühmten Dichter Peter Hacks. Die großstädtischen Theater verschließen ihm jetzt ihre Tore , aber glaube mir, er wird mit seinen Stücken, wie Du mit Deinen Bildern, uns alle überleben. Du könntest bei den Proben zeichnen. Das Stück heißt DER GELDGOTT"
H.L.: Spielen auch schöne Frauen mit?
ICH: Modelle in Hülle und Fülle und zur Premiere schmücken wir mit deinen Probenskizzen die Wandelgängen des Theaters"
Man redet viel und vergißt es. Doch eines Vormittags, wir probte schon fleißig, öffnete sich leise die Tür und Horst steckte seinen behuteten Kopf in den Raum. "Das ist der große Maler Horst Leifer, der uns jetzt bei den Proben zeichnen wird", flüsterte ich meinen Schauspielern zu. Sie schauten ihn andächtig an, wie er sich schnell einen Platz in Fensternähe suchte, aus den Taschen seines langen schwarzen Mantels ein Schraubglas mit Wasser und einen Tuschkasten holte, den Skizzenblock hatte er unter den Arm. Wir probten dann weiter, während er unentwegt zeichnete, schnelle scharfe Blicke im Wechsel zur Szene, zum Papier.
Hier kurz die Geschichte des Stückes "Der Geldgott":
Der arme Unternehmer Chremylos bekommt vom Orakel in Delphi die Weissagung
"Halte dich an den allerersten Menschen, dem du beim Verlassen meines Heiligtums begegnest. Folge ihm und lasse nicht von ihm ab, solange bis du ihn in dein Haus genötigt hast; denn er wird dich mit Reichtum überschütten"
Der allererste Mensch der ihnen begegnet ist ein blinder, zerlumpter Landstreicher
und es stellt sich heraus, es ist Pluto der Geldgott, welcher vom Gottvater Zeus verstoßen wurde.
Pluto:.. weil ich zu viele Leute reich gemacht hatte, und die ich reich gemacht hatte, wurden mächtig, und kein Oberhaupt hat ja gern Mächtige unter sich, also schlug Zeus meine Augen mit Schwärze, damit ich das Verdienst nicht mehr herausfinden und mit Reichtum belohnen kann.
Chremylos: Wie haben Sie denn von da an das viele Geld verteilt?
Pluto: Blind eben. Ohne Ansehen der Person..."
Daraufhin beschließt Chremylos Geld zu sammeln um Plutos Blindheit von Äskulap heilen zu lassen, hat er wieder sein Augenlicht wird der Geldgott, so meint Chremylos, das Geld denen geben, die es verdient haben, zum Beispiel ihm.
Das Volk gibt kein Geld, Chremylos verschuldet sich, um den Arzt zu bezahlen, der Pluto von seiner Blindheit erlöst, und als er sehend ist, kennt er seinen Wohltäter Chremylos nicht mehr
Chremylos: Ha ha, seit Sie nicht mehr blind sind, wollen Sie mich nicht mehr kennen.
Pluto: Ja, mir sind über Sie die Augen aufgegangen
Chremylos: Sie haben Ihren Freund vergessen
Pluto: Wer wäre denn der?
Chremylos: Der ihre Heilung auf den Weg gebracht hat, ein schwer arbeitender Mann
Pluto: Ich habe gar keine Freunde, die arbeiten.
(Zitate aus Peter Hacks DIE SPÄTEN STÜCKE Edition Nautilus 1999)
Die Besuche des Malers endeten nach einigen Proben abrupt, er mußte verreisen, dann kam die Spielzeitpause, es begannen die hektischen Endproben.
Es war ein schöner Spätsommer - und der Maler scheute sicherlich den Weg in die Stadt und in das schwüle Theaterhaus, dachte ich, denn er tauchte nicht mehr auf.Die Premiere fand statt, es gab lobende Kritiken, aber wenig Aufführungen in der Kleinstad, der Rest ist Historie.
Und irgendwann im Winter, zeigte er mir in seinem Atelier beiläufig die Probenskizzen. Die Schauspieler mit leichter Hand aufs Papier getuscht, wunderschöne Silhouetten und Arrangements. Immer anwesend eine ausdrucksvolle Spannung, als hielten sie nur kurz für den Moment des Zeichnens in der Bewegung inne. Die Skizzen hatten jene Leichtigkeit wovon man als Theatermensch immer träumt, aber auf der Bühne dann nie sieht. Die Spieler im Idealraum der Phantasien, Theater auf dem Papier.
Das war die Geschichte ihrer Entstehung. Schade, daß es davon nur diese zehn Blätter gibt.
Manfred Dietrich , September 2001