N a c h r u f
von Diether Schmidt
Melancholische und ernste Lebenssicht Horst Leifer hat um sein Leben gemalt
Den letzten Sieg - über den Krebs in der Bauchspeicheldrüse - hat Horst Leifer doch nicht bestanden, trotz entschlossener Abwehr. Er starb in Sanz (Vorpommern) in der Nacht zum Donnerstag. Dresden, das ihn immer wieder vertrieb aus Heimstatt und Lehramt ins abgelegenste Dorf, hat einen gewichtigen Maler verloren.
Abseits der Verführungen zu Ruhm und Markt
Leifer, 1939 in Altreichenau im
Riesengebirge geboren, wurde erst Hauer im Bleibergwerk von Freiberg. Er
hungerte nach dem Tageslicht und bildete sich an der Dresdner Kunsthochschule
zum Maler. Seine ernste und melancholische Lebenssicht machte ihn zum Offenbarer
des geistigen Lichts auf Dingen und Gesichtern. Gerhard Kettners Zutrauen
öffnete ihm immer wieder Wege zur Vertiefung in künstlerische Tradition und
Überlebenshilfen. Seine Selbstrettung war es, sich abseits zu halten von
Verführungen zu Ruhm und Markt. Gegen alle Dogmen vertiefte Leifer seinen
existenziellen Realismus und wuchs so zu einem unvergleichlichen Porträtisten.
In diesen Menschenbildern von seiner Hand lässt sich der Maler mit seinen
Modellen auf einen Dialog ein und bezieht auch den Betrachter ein in den
prüfend nachdenklichen Prozess vitalistischer Selbstbesinnung. Leifers
Bilderwelt ist scheinbar traditionell klassisch erfüllt mit Landschaft und
Stillleben, Porträt und Akt im Interieur oder im Freiraum. Auf Modernismen ging
er nie ein. Bei Gemälden wie Aquarellen und Zeichnungen lässt er oft Farben
und Linien wie Schnürregen fallen oder rinnen. Sein Blick fixiert nicht den
Bildgegenstand, sondern lässt ihn hervorwachsen aus den Definitionen des
Raumes. Die ganze Bildfläche gerät so in Bewegung. Bloße Feier des Daseins
war ihm verdächtig. Er ist ein Dramatiker der Landschaften und der Leiber.
Offene Bildform im Unvollendeten aktiviert auch den Beschauer zum Miterleben des
Vortrags und Malvorgangs. Nur sehr äußerlich ähnelt seine Arbeit den Jungen
Wilden, nächste Beziehungen gibt es wohl zu Giacometti. Seine Palette gründet
auf dem Generalbass Schwarz, darum erklingen die erdigen Ockers und Graus und
Grüns des frühen Kubismus. Der Melancholiker spannt seine Dramatik zwischen
Violett und schwefliges Gelb. Selten liefert Blau Dur-Töne. Leifers
Orchestrierung unterwirft sich keiner didaktischen Formalisierung, sondern
korrespondiert mit dem Augen- und Geistes-Erlebnis. Eine spezielle Affinität
hatte Leifer zum Holz, erst in Holzschnitten, die nicht sehr zahlreich sind,
dann in Holzskulpturen. Da fand er einen Weg zwischen Mittelalter und Folklore
und den Holzbildhauern unseres vergangenen Jahrhunderts um Barlach und Wilhelm
Groß. Bei den vom Leben Geworfenen gewann seine Kunst Zutrauen als Bestätigung
eigener Erfahrung. Sammler wie Schleicher oder Kemna oder Alfons Butz spannten
seine Anhängerschaft von Hamburg bis zum Bodensee und ins Donauried. Sein
Jüchser-Porträt fand Heimstatt in der Dresdner Gemäldegalerie Neue Meister.
Ausstellungen machten ihn weitherum im Land bekannt. Das bleibende Gewicht
seiner Kunst bleibt zu wägen und zu würdigen. Uns fehlt sein ernstes,
unbestechliches Auge für die Wahrheit aus den fünf Sinnen.