Die vielen Köche verdarben
hier keineswegs die leckeren Pasteten (dazu später),
sondern schoben sich gegenseitig
die Leckerbissen zu. Kurz:
Schauspieler, Chor, Sinfonieorchester
und Regieteam kitzelten (Geschmacks)
Nerven, Gaumen und Zwerchfell der
begeisterten Zuschauer zugleich.
Benjamin Barker kehrt als Sweeney
Todd im 19. Jahrhundert nach London zurück
und sinnt auf blutige Rache. Der
gerissene Richter Turpin hat ihn unschuldig ins
Gefängnis gesteckt, seine
Frau Lucy vergewaltigt und stellt nun seiner gerademal
volljährigen Tochter Johanna
nach. Das soll Turpin, das sollen alle mit dem Leben
bezahlen und über die scharfe
Klinge des "Teufelsbarbiers von Fleet Street"( so der Untertitel)
springen. Todd mietet sich bei
der Pastetenbäckerin Lovett ein, die ihn- die Zeiten
sind schwer, das Fleisch ist teuer
- nur allzugerne unterstützt.
Ritsch, ratsch werden die Liebhaber
eines gepflegten Schnitts in feinen
Blätterteig gehüllt (
deshalb die Pasteten) und das Geschäft boomt wieder.
W e r n e r B r e n n e r
schuf für die preisgekrönte und politisch völlig unkorrekte
"Friss-oder-du-wirst-gefressen"-Geschichte-
zwischen Musical und Oper eine grandiose Drehbühne.
Wie bei einem Baumhaus schlängeln
sich die offenen Etagen um den Bäckerofen und führen
das Geschehen in die nächste
makabre Runde.
Temporeich, pointiert und mit viel
Witz präsentiert M a n f r e d D i e t r i c h s Regie,
Kannibalen und Liebe, stellt Schmachten
und Schlachten nebeneinander.
im Friseursalon rutscht die Kundschaft
durch den frisch rationalisierten Betrieb:
Tuch um, Schaum drauf, Kopf ab;
Rutsche runter, Fleischwolf durch, Ofen rein
und wieder raus; gleich nebenan
beturteln sich Johanna und Verehrer Anthony
(B e t t i n a C o r t h
y und A n d r e a s S c h o l z als überzeugendes
Liebespaar) aufs Innigste.
Das Stück ist ein irrwitziger
Kreislauf; der sprichwörtliche Hund beißt
sich in dieser Kapitalismus - und
Gesellschaftspersiflage am Ende selbst in den Schwanz.
Diese süß-sauren Kontraste
und ironischen Wendungen spielt das Erzgebirgische
Sinfonieorchester Aue unter der
Leitung von Friedemann Schulz genau und genüßlich aus
und verleiht den balladenhaften
Nummern einen schön schaurig, schrägen Schwung.
Herrlich schräg sind auch die
Charaktere überzeichnet. Frau Lovett (M a r i e - L u i s e
B e e r )
pragmatisch bis ins Mark, säuselt
ihren Liebes - Singsang für ihren Barbier und hält
als heiße Hexe mit ruppigem
Mutterwitz das Geschäft zusammen. F o l k e P a u l s e n
gibt einen stimmlich hervorragenden
Sweeney, den seine Rachsucht immer weiter treibt.
Zusammen besingen und tanzen sie
in Musical-Hall-Manier den Höhepunkt des Abend
und servieren sich in der Fantasie
kommende kulinarische Köstlichkeiten:
zarte und wohlgenährte Priester
zum Beispiel( leider nur Sonntags zu haben)
oder ein echter Adliger (solange
er gewaschen ist)
Das Ensemble harmoniert, jeder ist
für einen Mordsspaß gut.
Richter Turpin (L e a n d e r
M a r e l ) der sich in Leidenschaft für Johanna selbst kasteit.
Quacksalber Pirelli (A d r i a
n J o h n C a v e ) als pompöser Wichtigtuer im Stil der
italienischen Oper,
sein einfältiger aber inbrünstiger
Gehilfe Tobias (M a r t i n G e b h a r d t ),
Lucy (J u l i a n e R o s
c h e r - Z ü c k e r ), ein böser Geist und zu jedem Liebesdient
bereit,
ein hervorragender Chor in den
schaurig.-silbernen Kostümen von B e t t i n a K i r s t e.
Alles in allem eine wunderbar schwarze
Inszenierung die den Konsumenten in unserer
von BSE geplagten zeit noch mehr
das Fürchten lehren wird.
Wer kein Vegetarier ist und einen
starken Magen hat, kann sich in der Pause
den kannibalischen Kick geben und
eines der Pastetchen probieren.
Eine Empfehlung: Das Modell Komödiant
war wirklich pikant