Gewehre auf den Haufen

Claus Peymann erinnert sich an die Arbeit mit Peter Hacks, der heute 75 Jahre alt wird

Peter Hacks wird heute in Berlin 75 Jahre alt. In den siebziger und achtziger Jahren war er in der DDR wie in der Bundesrepublik der meistgespielte deutsche Dramatiker. Nach der Wende, die der Kommunist Hacks als Konterrevolution sieht, schrieb er zwar mehrere Stücke, aber kaum ein Theater führt sie auf. Am Telefon sprach uns Claus Peymann, der schon 1966 Hacks inszenierte, diesen Geburtstagsgruß auf Band.

Wenn mir heute der Name Hacks begegnet, erfasst mich immer eine leichte Traurigkeit, dass ein großer Dramatiker sich selbst langsam in eine Antiquität verwandelt hat, die denen gleicht, mit denen er sich sein Leben lang in seinem schönen Haus umgeben hat. Seit den Aufführungen "Die Schöne Helena" und vor allem von "Der Frieden" im Deutschen Theater ist Hacks für mich ein Idol. Mal ganz abgesehen von Bessons Inszenierung und von diesen grandiosen Schauspielern damals, in den sechziger Jahren waren das literarische und dramatische Abenteuer besonderer Art. Für mich waren sie absolut prägend, weil diese Art von theatralischem Spitzentanz und von Satire, das kannten wir ja gar nicht. Das gab es ja gar nicht bis dahin. Es war zum Schreien komisch und trotzdem, wenn man sich auf die Kunst einließ, auch von großer Sentimentalität und Rührung, vor allem in der "Schönen Helena": Das war wie die Neuerfindung der Oper.

Später bin ich, immer unter dem Eindruck dieses ironischen, DDR-kritischen Theaters, dann selbst mal mit Hacks enger in Verbindung gekommen. Das war bei der westdeutschen Erstaufführung von "Die Schlacht bei Lobositz", die ich 1966 in Heidelberg inszenierte. Heidelberg war damals eines von den Theatern, die "in" waren. Es hatte eine ganz tolle junge Truppe. Ich fand dort Schauspieler wie den jungen Ulrich Wildgruber vor. Getragen von meinem Pazifismus und dem Glauben, dass man mit Theater die Welt verbessern könne (beides glaube ich ja bis heute), haben wir uns auf dieses Stück gegen den Krieg gestürzt. Der anarchische, wilde, formlose Wildgruber - in keiner Weise ein so kunstvoller Spieler wie Fred Düren oder diese DDR-Spitze - gab dem frei schwebenden Witz, dieser hochironischen Sprache und Künstlichkeit von Hacks einen äußerst spannenden, schönen und wirkungsvollen erdigen Grund.

Unsere Aufführung wurde zu Recht gefeiert und wurde richtig berühmt. Es war wirklich so eine Art Durchbruch von Hacks in der westdeutschen Provinz. Wir waren ganz getragen von der Botschaft. Am Schluss der Aufführung wurden alle Gewehre auf einen Haufen geworfen und verbrannt. Aus diesem lodernden Antikriegsfeuer sollte eine Taube auffliegen. Eine weiße Taube, eine Friedenstaube sollte zu einem Lichtkegel in den Heidelberger Theaterhimmel flattern. Unseligerweise konnten wir dann diese Taube nicht wieder in einen Käfig locken, so dass wochenlang diese Friedenstaube das Heidelberger Repertoire in Grund und Boden gegurrt hat, bis sie dann irgendwann einer mit dem Luftgewehr abgeschossen hat, also ein ganz unpazifistisches Ende.

Unsere Aufführung war im Grunde eine untypische Hacks-Aufführung. Ich habe später nie begriffen, wieso Peter Hacks - der ja wirklich ein echtes DDR-Kind war und ein echter Ziehsohn Brechts, der mit "Moritz Tassow" und "Die Sorgen und die Macht" die große so notwendige politische kritische Dimension ins Theater einbrachte wie vielleicht kein Zweiter - dass so einer sich dann hat abdrängen lassen in die anspielungsreiche Unverbindlichkeit der klassischen Stoffe. Immer habe ich gedacht, das sei ein großes Versäumnis der DDR gewesen - vielleicht auch die Vorsicht, der Rückzug von Hacks selbst. Vielleicht waren es die Einmischungen in "Moritz Tassow" und "Die Sorgen und die Macht", wo man versuchte, ihn zu knebeln, die ihn zu dieser Flucht getrieben haben. Ich habe es immer als Verlust empfunden. Wir kannten in der Bundesrepublik kein satirisches Talent seinesgleichen.

Später, als ich schon ein etablierter Theaterdirektor und Regisseur in Stuttgart war - wenngleich umtobt von den politischen Auseinandersetzungen (das endete ja auch mit einem Rausschmiss meiner Person) - hatten wir eine sehr umstrittene, aber sehr wirkungsvolle Aufführung von "Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe". Niels-Peter Rudolph hatte es inszeniert, damals einer der führenden Regisseure in Westdeutschland. Er hat dieses Stück im Bühnenbild von Ilona Freyer, so gar nicht im Hacks schen Sinne, sehr entmythologisiert und banalisiert. Die Frau - es war die wunderbare Anneliese Römer - stand da im Morgenkittel und war eine Schlampe, eher ordinär und sie verstreute ihre Dessous auf der Bühne. Es war also eher so eine Müllkiste à la Castorf, würde ich heute beinahe sagen. So eine große naturalistische Müllkippe. Die Aufführung war trotz seiner Einwände ein Erfolg für Hacks, und so interessierte sich dann auch irgendeine größere Fernsehgesellschaft dafür, und die Aufführung wurde aufgezeichnet. Hacks hat immer wieder versucht, das zu verhindern. Er wollte unbedingt diese "erhabene" Aufführung, ich glaube, es war die Dresdener Uraufführung, ins Fernsehen bringen, und das wollten aber die Fernsehleute nicht. Da gab es über zwei Ecken einen Konflikt mit der Institution Theater, weniger mit Direktor Peymann.

Ich selbst habe mit Hacks vielleicht ein- oder zweimal tele