junge Welt Thema 21.03.2003

* Peter Hacks wird heute fünfundsiebzig Jahre alt. Aus diesem Anlaß erschien ein Band mit Beiträgen u. a. von Helmut Baierl, Klaus Ensikat, Eberhard Esche, Georg Fülberth, Hermann Kant, Rainer Kirsch, Wolfgang Kohlhaase, Horst Tomayer, Sahra Wagenknecht.

Andre Thiele (Hrsg.): In den Trümmern ohne Gnade: Festschrift für Peter Hacks
Eulenspiegel-Das Neue Berlin/CVK, 03.2003
ISBN: 3-359-01532-0, 256 Seiten, 14,90 Eur.

[<]

Am Ende verstehen sie es

jW-Gespräch mit Peter Hacks über den Bankrott des deutschen Sprechtheaters, des Imperialismus und über die kommunistische Weltbewegung

Interview: Matthias Hering / Arnold Schölzel

F: In Berlins Antiquariaten fällt auf, daß es Bücher von Peter Hacks fast nie gibt, und wenn, zu unverschämten Preisen.

Meine Stücke sind in den Siebzigern gut verlegt worden, also sie existieren. Danach sind sie überhaupt nicht mehr verlegt worden. Und das ist natürlich eine Menge Zeit, in der eine Sache auch verlieren kann.

Die Leute, die bestreiten, daß ich existiere, wissen ja, daß ich existiere. Wenn sie mich verkaufen, verkaufen sie mich teuer.

F: Sie wurden seit den siebziger Jahren nicht mehr verlegt?

Ich vermute, daß es so ist: Seit dem Ende der 70er Jahre wurde ich nicht mehr aufgeführt, in beiden deutschen Staaten. Und damit ist natürlich der Buchmarkt nicht mehr interessiert. Wir leben in einer Zeit, in der Dramen nicht gelesen werden. 1960 konnten Sie eine Broschüre mit einem Stück von irgendjemandem herausbringen und für 20 Mark verkaufen. Die wurde in Zehntausenden verscheuert. Damals war Drama noch Mode.

Im 19. Jahrhundert war ein Mensch überhaupt nur ein Autor, wenn er Dramen geschrieben hatte. Romane wurden nicht angerechnet, die Romanciers wurden behandelt wie heute die Dramatiker. Und die Abschaffung des Lesens von Dramen ist die Folge oder eine Parallele zur Abschaffung des Aufführens. Natürlich bedingt Regietheater, daß man die Texte auch nicht mehr verbreiten darf. Sonst könnte man ja den Text mit der Aufführung vergleichen. Das sind zwei wahrscheinlich parallele Bemühungen um die Abschaffung des Dramas.

F: Gibt es einen Punkt, an dem das begann?

Nein, in der Politik und schon gar nicht in der Literaturstrategie gibt es keine Brüche. Alles wird mit gleitenden Übergängen gemacht. Aber die Generation, die noch das beliebte Drama schrieb, war wirklich Frisch und Dürrenmatt.

F: Welche Ursachen hatte diese Zensur?

Die Hauptursache war, daß der westdeutsche Geheimdienst Mitte der 70er Jahre herauskriegte, daß seine ungeheuren Investitionen, mich zu korrumpieren, wirkungslos geblieben waren. Dafür war das Biermann-Spektakel ein Modell. Das heißt, bis Biermann wurde jedes Stück, das ich geschrieben hatte, in einer Theaterzeitschrift veröffentlicht, fast immer in Theater heute. Und Theater der Zeit in der DDR war auch noch da. Das endete schlagartig für immer, insofern war das der Drehpunkt. Gleichzeitig passierte zur Biermann-Zeit der Erfolg der »Stein« (»Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe« – Anmerkung der Redaktion). Die »Stein« war so unmißverständlich ein Weltbestseller, daß es wirklich unmöglich gewesen wäre, die abzustellen. Theater heute hat, was es niemals getan hatte, über die »Stein« drei Kritiken geschrieben und dreimal mitgeteilt, daß das Stück schlecht und unspielbar ist. Dann verschwand ich. Das war die Zeit, in der die DDR-Theaterpolitik mit der westdeutschen identisch wurde. Die wurde übernommen im Rahmen von Helsinki. Ich denke, entlarvt war ich Mitte der Siebziger, überlebt habe ich noch bis Achtzig. Da läpperte sich das alles aus, weil Kulturstrategie keine Brüche liebt und ich war weg im Theater, in beiden Ländern bis heute.

F: Die »Schöne Helena« wird noch oft gespielt.

Zum Nichtspielen gehört erstens eine Verabredung, daß ich einzelne weniger wichtige Stücke doch geschrieben habe, alle anderen werden nicht mal dem Namen nach erwähnt. Aber »Helena« und »Plundersweilen« (»Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern«), sogar »Amphitryon« und »Adam und Eva« dürfen vorkommen. Sie haben sich ziemlich lange in den Tourneetheatern gehalten, die ja gerne mit Stücken Geld verdienen. Die Boykottmaßnahmen gegen mich, werden, da sie organisiert sind, natürlich nur über die höheren Instanzen weitergegeben. Ganz viele Provinztheater haben davon nichts gewußt. Das absolute Hacks-Erwähnungsverbot fand statt in der überregionalen Presse und in den Staatstheatern. Die anderen wußten sowieso nicht, was richtig und was falsch ist, da macht man schon mal einen Hacks. Es ist sehr schwer, soviel geschrieben zu haben wie ich und gar nicht bemerkt zu werden.

F: In Ihrem Text »Unter den Medien schweigen die Musen« findet sich die Bemerkung, daß es im Verlauf der Entspannung überraschenderweise »zu einer weiteren und einseitigen Abrüstungsmaßnahme des Ostens kam. Er beschloß, die Herstellung von Kunst zu beenden und statt ihrer die Erzeugung von Unkunst aufzunehmen.«

Es war am Theater wirklich am Allerschlimmsten. Das Theater ist die öffentliche Kunst, für die sich die Politik interessiert. Dafür haben sie selbst im Westen Minister. Die Abschaffung des Theaters an sich wurde in der Akademie der Wissenschaften der DDR von Mittenzwei und Wekwerth eingeleitet. An den theaterwissenschaftlichen Fakultäten traten Herr Schumacher und Herr Münz ins Geschäft, dann ging es an die Kritik und irgendwann erfuhren auch die Theater, daß es sie nicht mehr geben soll.

Natürlich gibt es ein allgemeines Bekenntnis zur Kunst, die keine Kunst ist, und zu Büchern, die niemand liest und die gedruckt werden, weil sie niemand liest.

F: Haben Sie die Entwicklung der Berliner Theaterlandschaft in den letzten zehn Jahren verfolgt?

Ich habe immer noch die Gewohnheit, in den Zeitungen nachzusehen, was sie spielen. Aber ich habe kein Theater mehr betreten. Und zwar nicht erst seit 1990, sondern seit 1980 nicht. Das ist sinnlos, das bringt nichts.

F: Warum nicht?

Weil das Quatsch ist und von meinen Feinden veranstaltet wird.

Sie müssen der Welt ins Gesicht sehen, wie sie ist. Diese Beziehungen sind abgebrochen und lassen sich auch nicht wiederaufnehmen.

F: Das gilt auch für die Beziehung zwischen Ihnen und dem deutschen Stadttheater?

Mit Ausnahmen in den ganz entlegenen Ecken der Provinz. Und auch die nehmen in einer anständigen geometrischen Reihe ab. Wir leben zur Zeit in einer Epoche, die Kultur ablehnt. Das müssen wir schlucken. Und wir müssen uns erinnern, wie schnell Kultur wieder herzustellen ist.

F: Die Epoche der Kunstlosigkeit. Wie überlebt ein Dramatiker, wenn die Tantiemen fast nur aus dem Ausland kommen?

Es ist nicht mein Problem zu überleben. Wenn ich jetzt in Ihrem Alter wäre, wüßte ich überhaupt nicht, was ich mit mir anfangen sollte, da ich tatsächlich außer Texte schreiben konstitutionell nichts anderes kann. Eine Entscheidung dafür wäre die Entscheidung, erstens ganz energisch zu darben und zweitens über Themen zu schreiben, die nicht lohnen, geschrieben zu werden.

Der Imperialismus hat beschlossen, sich nicht für den Sozialismus, sondern für die Barbarei zu entscheiden, das ist das wesentliche Element der gegenwärtigen Epoche. Alle Leute sind unglücklich, denn komischerweise liebt der Mensch als Spezies Barbarei nicht wirklich. Diese großen neuen Mythen, die auf der Welt auftreten, diese politisch schlecht begründeten, aber großen Volksbewegungen lassen mich hoffen, daß man zwar mit den Menschen fast alles machen kann, aber doch nicht alles. Daraus könnte sich in hundert Jahren etwas entwickeln. Aber darüber kann man kein Stück schreiben.

F: Ein anderer Satz aus den »Maßgaben der Kunst« lautet: »Man sieht dem Imperialismus Tag für Tag beim Zusammenbrechen zu.« Der nächste Krieg, der angekündigt ist...

Der Imperialismus muß auseinanderbrechen und das tut er. Momentan sieht man den amerikanischen gegen den europäischen Block kämpfen. Wie der asiatische aussieht, wissen wir noch nicht, der ist noch nicht konstituiert, aber er hat sich immerhin gegen Amerika schon festzulegen gewagt. Also die Dreiblocklage ist unmißverständlich und muß zum Krieg führen.

F: Also ein Krieg aus Schwäche?

Nein, aus Verteilung des wenigen Geldes, was es gibt. Der Imperialismus hat alle seine Kunden umgebracht und wundert sich jetzt, warum ihm niemand etwas abkauft. Und um die paar Leute, die ihm was abkaufen, müssen sie Kriege führen.

Wenn der Bush jetzt die Hitlerrolle hat – damals im Kriege hat die Frage: »Wer ist der Schurke?« eine Rolle gespielt – dann spricht das zur Zeit gegen den Bush. Daß er die Schurkenrolle hat, wird ihm Schwierigkeiten machen. Und daß alle Menschen es verstanden haben. Deswegen kann es sein, daß er jetzt nicht gewinnt oder einen Pyrrhussieg erringt, der ihm nicht lieb sein wird.

F: Den Beginn der Niedergangsepoche beschrieben Sie mit Ulbrichts Verschwinden aus der Politik.

Jeder, außer der jungen Welt, weiß, daß der Niedergang mit Stalins Tod begann. Und das von mir beschriebene Langsamverfahren öffentlicher Angelegenheiten brauchte von 1953 bis 1973, um fertig zu sein. Der Ulbricht-Mord von Honecker und Breshnew, der in meinem Busen ein furchtbarer Einschnitt war und den ich nie verwunden habe, war dann der Schlußstein. Von da an konnte es niedergehen. Der weltgeschichtliche Zeitpunkt war die Konferenz von Helsinki, war das SED/SPD-Papier, also die Sozialdemokratisierung des Weltkommunismus. An der Stelle kann man sagen: Da war nun nichts mehr zu retten.

F: Eine Bewegung, die sich selbst abgeschafft hat?

Ja. Ja.

F: Und welcher Voraussetzung bedarf es dafür?

Meine russische Übersetzerin gab mir, als ich sie fragte, was will denn der Gorbatschow, den einzigen rationellen Grund, den ich je gehört habe: Er gehört der aserbaidshanischen Rauschgiftmafia und die brauchen einen konvertierbaren Rubel. Da habe ich sehr gelacht und fand es geistreich.

Aber ich weiß niemanden, der Chruschtschow hätte bezahlen können. Und ich weiß nicht, warum Chruschtschow den konvertierbaren Rubel gebraucht hat. Hier waltet für mich ein Weltgeheimnis. Zu Stalins Todeszeit war Rußland in keinem schlechten Zustand. Er hatte die Sorgen, die das Land hatte, im wesentlichen behoben. Und der Sozialismus ist, genau wie der Imperialismus, eine Gesellschaft, die sich aus tiefen Krisen überraschend rüstig und schnell rausarbeiten kann. Es werden nicht immer nur erstklassige Leute durch Idioten ersetzt, es werden auch mal Idioten durch erstklassige Leute ersetzt. Auch wenn es für einen Marxisten peinlich ist, es zu sagen, die Figur, die vorne steht, spielt mehr als nur eine Beirolle.

F: Womit wir wieder bei der Monarchie wären.

Die Monarchie hat den Vorteil gegenüber dem Sozialismus, daß sie schwer abzuschaffen ist. Richtig ist, daß in absolutistischen Zeiten das Land blüht, wenn der Fürst ein großer Mann ist, und hungert und Kriege verliert, wenn der Fürst ein Idiot ist. Aber die Begabung des Fürsten entscheidet in der Weltgeschichte nur zwei- oder dreimal über das Fortbestehen der Monarchie. Und selbst, wenn man Karl von England oder Ludwig von Frankreich guillotiniert, weiß das Volk, jetzt kommt irgend etwas Neues, aber dann brauchen wir wieder einen König. Der Sozialismus ist nun einmal eine wissenschaftliche und bewußt eingesetzte Willensentscheidung und die kann man zurücknehmen. Und er hat die Fähigkeit, in sich konterrevolutionäre Seelen zu gebären. Hier bringen Sie mich auf eine Frage, die noch nicht aufgehört hat, mich zu wundern.

F: Wie konnte jemand auf die Idee kommen, daß das mit der friedlichen Koexistenz geht?

Damals sagte ich, wir legen die Friedensfrage vertrauensvoll in die Hände des Imperialismus. Danach mußte man darüber nichts mehr sagen. Aber das Geheimnisvolle ist, beide Politbüros, das sowjetische und das der DDR, wußten natürlich ununterbrochen, daß der Westen sie mit seinem Frieden abschaffen will. Sie haben sich gegenseitig immer gesagt: Paßt auf, der Feind meint es nicht gut mit uns. Und haben immer gehandelt, als meine es der Feind gut mit uns. Das heißt, obwohl sie wußten, daß sie sich abschaffen, schafften sie sich ab.

F: Wird über die Dramatik der DDR geredet, gibt es irgendwann nur noch zwei Namen, Heiner Müller und Peter Hacks. Und erstaunlicherweise ist von der Übereinkunft der sechziger Jahre, grundsätzlich an der Weltesche zu sägen, nichts übrig. Leute wie Werner Buhs und Volker Braun schreiben zwar noch, aber nur Befindlichkeiten. Und sie werden nicht aufgeführt.

Ich denke niemals an Volker Braun, wenn ich an Dramatiker denke. Und mehr fällt mir auch nicht ein.

Bei Müller ist das einfacher, der hat sein Frühwerk radikal verleugnet, hat seinen Frieden mit der SED, mit der Stasi, mit dem Regietheater, mit dem Modernismus gemacht. Die Leute, die er fortan bestahl, waren plötzlich der Comte de Lautréamont oder der Engländer, bei dem sie immer ihre Kinder fressen, Mister Bond. Müller ist mit einem Bruch abgegangen. Er wollte nicht von Kommunisten ernst genommen werden. Er wollte vom Broadway ernstgenommen werden.

F: Was können die Theater jetzt überhaupt machen?

Nicht Stücke. Die Kunst eines Dramaturgen besteht darin, etwas aufzuführen, das kein Stück sein darf. Das geht von Filmdrehbüchern bis zu Projekten und anderen Zusammensetzungen. Wenn ihnen gar nichts einfällt, dann spielen sie ein Stück von Kleist so, daß man es nicht versteht. Das Wesen des modernen Theaters ist das Nichtstückespielen und die Schließung der Bühnen, ihre Ersetzung durch achtzig Off-Theater.

Es gab eine Zeit, als die Russen es auch nicht konnten. Und deren Ersatz fürs Theater war die Estrade, der bunte Abend.

F: Was sind die Bedingungen dafür, daß Staatskunst blüht?

Es ist wahrscheinlich so platt, wie ich es manchmal vermute. Sie brauchen einen absolutistischen Zustand, also einen Zustand, wo ein Klassenwiderspruch, wie immer er beschaffen ist, austariert und im Gleichgewicht gehalten wird. pKann man bei Ludwig XIV. noch sagen, er hat als der Staat, der er war, auch noch ein Kunstwerk dirigiert, so kann man das weder von Stalin noch von Ulbricht sagen. Sie haben sich beide für Kunst in höchstem Maße interessiert, waren beide wirklich gebildete Leute, aber man kann nicht unbedingt sagen, daß sie in jedem einzelnen Moment die Kunst auf ewigkeitliche Weise begriffen und gefördert hätten. Das Verhältnis des absolutistischen Künstlers zu seinem Fürsten ist immer ein außerordentlich dialektisches, gespanntes und drolliges, immer ein funktionierendes, aber immer ein schlecht funktionierendes. Und das gilt natürlich für uns alle auch. Die Frage, was bleiben wird, bitte ich diesmal nicht auf DDR-Ebene zu behandeln.

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts gehört einfach Thomas Mann und Brecht. Thomas Mann gehört die Prosa und Brecht das Drama und die Lyrik.

Was ich Ihnen als Vermutung anbiete, ist, daß die zweite Hälfte Arno Schmidt und mir gehört. Arno Schmidt für Prosa, mir für Dramatik und die Lyrik. Das sage ich mit dem Vorbehalt eines Menschen, der wirklich weiß, daß dies eine Art von Urteilen ist, die eigentlich nicht fällbar sind. Aber ich kann ja nicht so tun, als hätte ich kein Urteil.

Die erste Hälfte dieses Jahrhunderts wird nicht existieren. Und was die Leute mit den früheren Kunstwerken anfangen, kann ich Ihnen nicht sagen. Es gibt eine berühmte Geschichte. Die ist nicht von Heiner Müller, die ist von Hartmut Lange gestohlen worden: Als die Germanen nach Rom kamen und auch die Kunst abschafften, gab es einen letzten Römer, der noch ein paar Metren kannte. Ich glaube, die Pointe war, er unterwarf sich und schmierte sich Butter ins Haar. Weil es eine Gewohnheit der Germanen war.

F: Die völlige Unbrauchbarkeit dessen, was ist, ist die Auskunft über die Gegenwart, die man geben kann?

Zu den ökonomischen Gründen kommt jetzt natürlich der Grund der politischen Ausweglosigkeit hinzu.

Und das zusammen erklärt, was ja sonst eine menschliche Seele nicht aushalten würde, daß Leute solche Dinge reden können im Fernsehen, wie wir sie jetzt seit Wochen reden hören, und nicht sofort an den Haken beim Schlächter gehängt werden.

Wenn Sie auf einer Liste der CIA stehen und Herr Melvin Lasky Ihr Vorgesetzter ist, dann brauchen Sie nicht marktkonform zu schreiben.

Im ersten Kulturabkommen zwischen der DDR und der Bundesrepublik, das die Regierung Honecker mit der Regierung Kohl abschloß, stand drin: Es werden zwei Heiner-Müller-Festtage in Frankfurt am Main und in Berlin durchgeführt.

Ich glaube, Künstler sind schwer auszurotten. Nicht einmal in schlechten Zeiten nimmt ihre Zahl stark ab.

Die Bettelkünstler werden selbstverständlich alles überleben, wie die Schaben auch.

F: Lassen Sie uns noch ein Wort über die Zukunft der kommunistischen Weltbewegung reden.

Mit dieser Frage werden wir auch noch fertig. Das hängt von der Frage ab, ob China ein kapitalistisches Land wird, was ich vermute. Wenn China ein kapitalistisches Land wird, wird nach Castros Tod von Kuba nicht mehr die Rede sein. Also wäre die institutionalisierte kommunistische Weltbewegung dann doch ausgetilgt.

Und all die unzufriedenen Leute, die Bambulas und die südamerikanischen Präsidenten werden nachdenken, wie man den Fortschritt und die Revolution macht. Es wird ihnen jemand sagen, daß es Bücher gibt, in denen es drinsteht. Ein kultureller Aufschwung ist manchmal in unglaublich kurzer Zeit herbeizuführen. Insofern würde ich sagen: Selbst, wenn ich auf kurze Frist mit einem weiteren Sterben rechne, rechne ich auch, und zwar in einer überhaupt nicht Jahrhunderte währenden Frist, mit einem Wiederaufleben. Die Krise des Imperialismus besteht im Moment darin, daß er bankrott ist. Sie wird sich mit Sicherheit zu einer Weltwirtschaftskrise auswachsen. Jedermann weiß, Weltwirtschaftskrisen zeugen kommunistische Parteien. Und diese kommunistischen Parteien haben sich durch das politische Ende des Kommunismus überhaupt nicht beeinflussen lassen. Sie denken, wie sie immer gedacht haben, erst ungeschickt, und dann geschickt, am Ende verstehen sie es sogar.

Und wenn die Weltwirtschaftskrise und ein sinnloser Krieg oder eine Gewohnheit von Kriegen zusammenkommen, hat man ganz schnell wieder kommunistische Bewegungen.

Mit anderen Worten: Eine Sache, die der Weltgeist vorgesehen hat, auf die kann man sich dann auch verlassen.

F: Weltgeist? Da hätten wir gern eine Definition.

Dann ändere ich den Satz. Auf eine Sache, die ich einmal gesagt habe, kann man sich verlassen.

1