Er gehörte zum Theater und zum Stadtbild
von Gunnar Müller-Waldeck

Vor einem Jahr ist er still davon gegangen, er, der über Jahrzehnte zum hiesigen Theater und zum Stadtbild gehörte, der Schauspieler Hans Berger.
In sportlichen  Shorts im flinken Gang durch die Straßen oder per Rad auf der Strecke von oder nach Wieck war er noch kurz vor seinem Tode am 29. Juli 1998 anzutreffen.
Der 94jährige klagte höchstens über die nachlassende Augenkraft - aber dann traf man ihn wieder mit einem Buch auf einer Bank hinter seiner Wohnung am Dom, wo er diese Klage Lügen strafte. Er hatte bis zum 88. Lebensjahr auf der Bühne gestanden und nahm auch danach noch lebhaft Anteil am geistigen Leben.
Seine mitunter bissigen lyrischen Pamphlete in der Presse trafen manchmal auf Widerspruch, die Fetzen der Polemik flogen. Aber von Einschüchterung kein Gedanke, bald schon tauchte wieder ein echter Berger auf - gereimt oder in Prosa.

Bei Wolfgang Koeppens Ehrenpromotion 1990 konnte man im vertrauten Kreise miterleben, wie der zwei Jahre ältere Schauspieler den greisen  Schriftsteller ansprach und ihn an das gemeinsame Engagement am Wismarer Theater 1924 erinnerte. Er, Berger, als Romeo und der l8jährige Koeppen als einer aus der Dienerschar...

Der 1904 in Greiz geborene Berger war nach dem Wismarer Engagement nach Berlin gekommen, hatte dort die Regiegötter Reinhardt, Jessner und Piscator miterlebt und als junger Mime in bescheidenen Rollen neben der großen Elisabeth Bergner und dem berühmten Friedrich Kayßler auf den Brettern gestanden, sogar eine Tournee mit ihnen unternommen. Paul Wegener und Alexander Moissi, Weltstars jener Jahre, sah er als Zuschauer, Brecht als Stückautor / Besucher bei einer Inszenierung (Berger: "....wie ein Zuchthäusler mit Schiebermütze und Nickel - Kassenbrille!"). Nazizeit und Krieg hat er bedrückt überstanden, aber glücklich, nicht auf einen Menschen geschossen zu haben. Rund 15 Städte waren seine Lebens- und Schaffensstationen, so Altenburg, Zittau, Kiel, Coburg, Weimar, Halle, Passau.

Hans Berger hat als verläßlicher und solider Charakterdarsteller Greifswald seit 1963 die Treue gehalten und in zahlreichen Inszenierungen mitgewirkt. Mit seinem erstaunlichen Gedächtnis flocht er während der letzten Lebensjahre gern und launig längere Rollenzitate seines großen Repertoires ins Gespräch ein und verstand es wirkungsvoll, den Tonfall berühmter Darsteller seiner Zeit treffend zu imitieren. Er war ein belesener Schauspieler, den man nicht selten in Uni-Vorlesungen antreffen konnte, und ein leidenschaftlicher, der auch Schachaufgaben aus der Knobelecke zu lösen pflegte.
,,Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze" singt Schiller, der freilich, der nicht den Film kannte. Hans Berger spielte in einem die Hauptrolle, jenem poetischen über Koeppens Spuren in Greifswald von Manfred Dietrich, wo er im Alter von 92 Jahren Texte seines früheren ,,Kollegen vom Bau" anrührend, behutsam und sichtlich bewegt liest.