DER WEG NACH MEKKA  von Athol Fugard


Premiere am 7.Februar 1999 Eduard-von -Winterstein-Theater  Annaberg-Buchholtz


D a r s t e l l e r :       Ilse Bendin, Kerstin Hoffmann, Gerd Schlott    A u s s t a t t u n g :  Friedrike Hölscher



Aus "Freie Presse" Chemnitz vom 9.2.1999
B e t o n f i g u r e n  g e g e n  O h n m a c h t  d e s  A l t e r s
,,Der Weg nach Mekka" am Theater Annaberg
Von Uwe Kreißig

Es ist eine gottverlassene Gegend, auch wenn es eine Kirchengemeinde gibt, die zu viel des Guten tut. Sie sorgt sich um ihre Mitmenschen förmlich zu Tode und übt soziale Kontrolle in Form von Entmündigung aus. Dort in Dorf mitten in der südafrikanischen Halbwüste Karoo ist die Zeit nicht nur für Miss Helen stehengeblieben.
Es scheint, als sei der Lebensmut der Witwe gebrochen, Gleichgültigkeit hat sich eingeschlichen, über Haus und Heim hat sich die öde Staubschicht der Vergängnis gelegt. Ihre Freundin Elsa, eine junge Frau, die noch keine 30 ist und ein bißchen zuviel raucht, versucht zwanghaft auf ihrem Schnellbesuch, Helen ihre Vitalität aufzudrücken, ein Spiel, das nicht lange funktioniert. Schließlich sind da einige Unklarheiten, die den Dialog der ungleichen Frauen erschweren.

Athol Fugards ,,Der Weg nach Mekka", das am Sonntag im Theater Annaberg Premiere hatte, ist ein Stück zur Zeit, wie man es manch-mal ersehnt. Hier hat man Theater das verhalten ist und ohne die Sucht nach dem Lärm, dem schnellen, sich sofort verbrauchenden Gag auskommt; und das gute (wie seltsame) ist, man vermißt nichts. Selbstredend ist das nichts für Krawall- und Showbühnen, an dem Text würden sieh Zerhacker und Regieposierer vermutlich die Zähne ausbeißen.

Die Annaberger Inszenierung von Manfred Dietrich dürfte den mutmaßlichen  Absichten  des Autors sehr nahekommen. Auch hat er ein Darstellertrio, das Stadttheater der eleganteren Art liefert. Passend auch ein schräges Podium als sparsames Bühnenbild (Ausstattung: Friederike Hölscher), dagegen nerven die Lichtreflexe hinter dem zweiten Vorhang.

Wie in jeder bigotten Gesellschaft, die hier zum einen die Apartheid durchführt und wie zum Ausgleich die christliche Religion bis ins Allerprivateste treibt, sitzt man auf einem moralischen Pulverfaß. Helen hat sich nach dem Tod ihres Mannes von der dörflichen Gesellschaft abgesondert und wird dafür als Spinnerin abgetan. In ihrem Garten stehen urige Beton-
Skulpturen, mit denen sie die Verachtung der Dorfbewohner heraus-fordert. Dennoch findet Elsa eine Frau vor, die sich der Empfehlung ins Altersheim kaum mehr entziehen kann, obwohl sie ihre Selbständigkeit bewahrt hat.

Ilse Bendin hat fabelhafte Szenen, so wenn sie den ausgelöschten Mut von Helen glaubwürdige Konturen verleiht. Kerstin Hoffmann als Elsa findet in ihrer Rolle wunderbar die aktive Frau, die für alles Lösungen weiß, weil sie diese nicht selbst ausführen muß. Der Pfarrer Manus Byleveld ist bei einem souveränen Gerd Schlott der Moralapostel, der das Befolgen der Regeln predigt, ohne sich darüber noch Gedanken zu machen.

Gegen Ende wendet sich das Blatt. Helen widersteht der förmlichen Erpressung ins Altersheim (,,Nur ein Platz ist noch frei!"), in-dem sie in dieser einen Nacht ihre Sicht der Dinge schildert. Ihre Betonfiguren, von allen nur als unwürdige Auswüchse verworfen, der das schöne Dorf verschandelt, sind Kunst gegen die Einsamkeit des unnachgiebigen Alterns. Hier findet sie ihren Weg nach Mekka, ein Weg, den sie freilich nur noch selbst erkennt.

Elsa, die sich die Girlie-Attribute zugelegt hat, zeigt sich nun als schwächere Person, es beginnt eine Demontage nach Tschechowscher Vorlage. Ihren Job hat sie durch eine ehrliche, aber politisch unbedachte Handlung riskiert, ob sie dazu stehen wird, ist zweifelhaft. Elsas Beziehung zu einem verheirateten Mann ist gescheitert, und sie hat abgetrieben. Manus ist ein alter, verbitterter Mann.
Fugards Konfliktsituation, die eher einfache Verhältnisse wiedergibt, besteht auch in den laufenden Meinungattacken auf solches Theater. Der Aspekt des Abschiebevorgang ins Altersheim ist im Zeitalter der vollkommerziellen ,, Seniorenresidenzen" drastischer denn je. Deren Erfolg dürfte ja wohl darauf beruhen, daß man die Selbständigkeit älterer Menschen permanent in Frage stellt, bis sie sich zu ,,dieser Lösung" bekennen. Der lange Beifall war ehrlich.