D a
r s t e l l e r : Ilse Bendin, Kerstin
Hoffmann, Gerd Schlott A u s s t a t t u n g :
Friedrike Hölscher
Es
ist eine gottverlassene Gegend, auch wenn es eine Kirchengemeinde gibt,
die zu viel des Guten tut. Sie sorgt sich um ihre Mitmenschen förmlich
zu Tode und übt soziale Kontrolle in Form von Entmündigung aus.
Dort in Dorf mitten in der südafrikanischen Halbwüste Karoo ist
die Zeit nicht nur für Miss Helen stehengeblieben.
Es
scheint, als sei der Lebensmut der Witwe gebrochen, Gleichgültigkeit
hat sich eingeschlichen, über Haus und Heim hat sich die öde
Staubschicht der Vergängnis gelegt. Ihre Freundin Elsa, eine junge
Frau, die noch keine 30 ist und ein bißchen zuviel raucht, versucht
zwanghaft auf ihrem Schnellbesuch, Helen ihre Vitalität aufzudrücken,
ein Spiel, das nicht lange funktioniert. Schließlich sind da einige
Unklarheiten, die den Dialog der ungleichen Frauen erschweren.
Athol Fugards ,,Der Weg nach Mekka", das am Sonntag im Theater Annaberg Premiere hatte, ist ein Stück zur Zeit, wie man es manch-mal ersehnt. Hier hat man Theater das verhalten ist und ohne die Sucht nach dem Lärm, dem schnellen, sich sofort verbrauchenden Gag auskommt; und das gute (wie seltsame) ist, man vermißt nichts. Selbstredend ist das nichts für Krawall- und Showbühnen, an dem Text würden sieh Zerhacker und Regieposierer vermutlich die Zähne ausbeißen.
Die Annaberger Inszenierung von Manfred Dietrich dürfte den mutmaßlichen Absichten des Autors sehr nahekommen. Auch hat er ein Darstellertrio, das Stadttheater der eleganteren Art liefert. Passend auch ein schräges Podium als sparsames Bühnenbild (Ausstattung: Friederike Hölscher), dagegen nerven die Lichtreflexe hinter dem zweiten Vorhang.
Wie
in jeder bigotten Gesellschaft, die hier zum einen die Apartheid durchführt
und wie zum Ausgleich die christliche Religion bis ins Allerprivateste
treibt, sitzt man auf einem moralischen Pulverfaß. Helen hat sich
nach dem Tod ihres Mannes von der dörflichen Gesellschaft abgesondert
und wird dafür als Spinnerin abgetan. In ihrem Garten stehen urige
Beton-
Skulpturen,
mit denen sie die Verachtung der Dorfbewohner heraus-fordert. Dennoch findet
Elsa eine Frau vor, die sich der Empfehlung ins Altersheim kaum mehr entziehen
kann, obwohl sie ihre Selbständigkeit bewahrt hat.
Ilse Bendin hat fabelhafte Szenen, so wenn sie den ausgelöschten Mut von Helen glaubwürdige Konturen verleiht. Kerstin Hoffmann als Elsa findet in ihrer Rolle wunderbar die aktive Frau, die für alles Lösungen weiß, weil sie diese nicht selbst ausführen muß. Der Pfarrer Manus Byleveld ist bei einem souveränen Gerd Schlott der Moralapostel, der das Befolgen der Regeln predigt, ohne sich darüber noch Gedanken zu machen.
Gegen Ende wendet sich das Blatt. Helen widersteht der förmlichen Erpressung ins Altersheim (,,Nur ein Platz ist noch frei!"), in-dem sie in dieser einen Nacht ihre Sicht der Dinge schildert. Ihre Betonfiguren, von allen nur als unwürdige Auswüchse verworfen, der das schöne Dorf verschandelt, sind Kunst gegen die Einsamkeit des unnachgiebigen Alterns. Hier findet sie ihren Weg nach Mekka, ein Weg, den sie freilich nur noch selbst erkennt.
Elsa,
die sich die Girlie-Attribute zugelegt hat, zeigt sich nun als schwächere
Person, es beginnt eine Demontage nach Tschechowscher Vorlage. Ihren Job
hat sie durch eine ehrliche, aber politisch unbedachte Handlung riskiert,
ob sie dazu stehen wird, ist zweifelhaft. Elsas Beziehung zu einem verheirateten
Mann ist gescheitert, und sie hat abgetrieben. Manus ist ein alter, verbitterter
Mann.
Fugards
Konfliktsituation, die eher einfache Verhältnisse wiedergibt, besteht
auch in den laufenden Meinungattacken auf solches Theater. Der Aspekt des
Abschiebevorgang ins Altersheim ist im Zeitalter der vollkommerziellen
,, Seniorenresidenzen" drastischer denn je. Deren Erfolg dürfte ja
wohl darauf beruhen, daß man die Selbständigkeit älterer
Menschen permanent in Frage stellt, bis sie sich zu ,,dieser Lösung"
bekennen. Der lange Beifall war ehrlich.